Literaturblog für die SchülerInnen und Schüler der BHAK&BHAS Eisenerz und Interessierte.

Mittwoch, 11. November 2009

Imre Kertész, Roman eines Schicksallosen

Der Nobelpreisträger nähert sich in diesem Roman Auschwitz. Aus der Sicht eines jüdischen ungarischen Jungen beschreibt er Deportation, die Welt der Konzentrationslager und die Rückkehr in die Heimat (Ungarn). Er zeigtden Kampf um das nackte Überleben in den Konzentrationslagern, aber auch, dass Glück immer möglich ist, vor allem, wenn der Tod nahe ist. Kertesz greift aber nicht auf christliche Erklärungsversuche zurück (wie: die Welt ist böse und Erlösung ist möglich), sondern beschreibt einen Jungen, seinen Überlebenswillen und sein Streben nach Glück in einer mörderischen Zeit. Für die Hauptperson gibt es keine Erlösung, nur die Existenz und das Glücksgefühl, überlebt zu haben. Der Roman über den Holocaust.
... es gibt keine Absurdität, die man nicht ganz natürlich leben würde........

Dienstag, 1. September 2009

Dimitré Dinev, Engelszungen

Bulgarien im Zeitalter des Kommunismus war für mich bis zu diesem Roman ein "unbekanntes Land". Dinev erzählt die Geschichte zweier Hauptpersonen und ihrer Familien während dieser Zeit. Die Protagonisten mussten unter der Herrschaft der kommunistischen Partei überleben, beide wählten andere Strategien. Die Söhne der Hauptpersonen treffen sich zufällig als Einwanderer in Wien, mittellos und einsam, und lassen den Leser an ihren Familiengeschichten teilhaben, die alles zu bieten haben, was ein "Leserherz" begehrt. Spannend, episch breit, deftige Episoden.

Dienstag, 11. August 2009

David O. Benioff, Stadt der Diebe

Leningrad 1942: Die Stadt ist von deutschen Truppen belagert und soll ausgehungert werden.
Den zwei Hauptpersonen (dem 17-jährigen Lew und dem Soldaten Kolja) droht der Tod - wegen Plünderung. Nun bekommen sie vom russischen Geheimdienstchef den Auftrag, zwölf Eier für die Hochzeitstorte seiner Tochter aufzutreiben, nur so können sie ihr Leben retten. Und das in einer Stadt, die am Verhungern und von den Nazi-Truppen eingeschlossen ist. Bedrückende Bilder aus dem belagerten Leningrad, das Wüten der NS-Einsatztruppen hinter der Front lassen die beiden Hauptpersonen aber nicht verzweifeln, sondern moblisieren ihre ganze Widerstandkraft, um in diesem wütenden Chaos als Menschen zu überleben. Spannend bis zur letzten Seite.

Mittwoch, 1. Juli 2009

Fred Vargas, Der 14. Stein

Wieder einen Fred Vargas Krimi gelesen. Der mir schon vertraute Kommissar Adamsberg glaubt einem Mörder auf der Spur zu sein, der seine Opfer mit einem Dreizack umbringt. Leider vermutet nur er hinter dieser Mordserie einen Zusammenhang, denn er ahnt: ein Wahnsinniger geht seit Jahrzehnten nach einem mörderischen Plan vor - bei der Auswahl seiner Opfer. Gelungen bei den Vargas-Krimis die Zeichnung des Kommisars Adamsberg, der ungewohnt eher durch Emotionalität, Erahnen mystischer Zusammanhänge als durch Analyse und Rationalität den Leser in seinen Bann zieht. So zeichnet Vargas in ihren Adamsberg-Krimis eine mystische, poetische Welt, die nur darauf wartet, von Adamsberg entziffert zu werden. Für jeden Krimi-Fan ein Muss, aber auch als Einstiegsdroge verwendbar. Nette Krimi-Seite.

Samstag, 20. Juni 2009

John Connolly, Der brennende Engel


Charlie Parker, Privatdedektiv aus Maine, sucht eine Vermisste und stößt auf einen uralten Totenkult, der auch etwas mit dem Beinhaus in Sedlec (s. Bild) zu tun hat. "Menschen", welche meinen, nicht in diese Welt zu gehören, sich selbst als gefallene Engel (nach einem biblischen Mythos) sehen, morden und halten Parker für einen von ihnen: denn auch Parker sieht "die andere Welt". Ein spannender Mystery-Krimi, der den Mythos der gefallenen Engel in die Hirne kranker Menschen setzt und diese zu Mördern werden lässt. Doch Parker "durchschaut" beide Welten. Krimi & Mythos & Mystik, eine interessante Mischung.

Sonntag, 7. Juni 2009

Fred Vargas, Fliehe weit und schnell.

Die Pest taucht in Paris wieder auf; "Pestflöhe" werden bei Leichen gefunden und eine vergessene Pestepisode aus den 20iger (!!) Jahren wirft ihre Schatten in die Gegenwart. Der intuitiv vorgehende Kommissar Adamsberg, die Hauptgifur der Vargas-Krimis, spürt, dass es hier um alte Mythen geht, die mörderisch lebendig werden; die Autorin (auch Historikerin, Mittelalterarchäoligin und Archäozoologin!) spielt gekonnt mit einem möglichen Auftauchen der Pest im heutigen Paris. Spannend, bewegend, gekonnt gemacht... ein Krimi-Meisterwerk.

Mittwoch, 20. Mai 2009

T.C.Boyle, Die Frauen


Ich bin ein großer Fan von T.C.Boyle, "Drop-City" und "Dr. Sex" habe ich mit Begeisterung gelesen. In Die Frauen sind die Frauen, Geliebten, Gattinnen des berühmten Architekten Frank Lloyd Wright (1867-1959) die Hauptpersonen (es geht um vier). Als Architekt war der Mann ein Heros, er hat die Architektur revolutioniert und modernisiert; siehe dort: http://de.wikipedia.org/wiki/Frank_Lloyd_Wright. In der Architektur kämpfte er gegen Traditionen und schuf Neues, im Privatleben kämpfte er gegen die geballte amerikanische Prüderie und Bigotterie, die es nicht hinnehmen wollte, dass man auch in Beziehungen selbstbestimmt der Leidenschaft nachgehen konnte.
"Frank Lloyd Wright, dem berühmten Architekten, Egomanen, Naturapostel, Workaholic, Frauenhelden und Familienvater, erweist TC Boyle spöttisch und auch teilnahmsvoll seine Reverenz in seinem neuen Werk. Im hinterwäldlerischen Wisconsin hat Wright seinen Traum verwirklicht: Er schuf Talisien. Hier lebt und arbeitet er zusammen mit seinen Schülern und Handwerkern, mit seinen jeweiligen Frauen und deren Kindern." (s. http://www.tcboyle.de/)
In diesem Roman geht es eigentlich um diese Frauen - wie sie mit Wright Lyod das Leben genossen, aber auch unter seinem Narzissmus und Genie litten.
Ich habe viel über Architektur erfahren, als Einstiegsbuch würde ich aber Drop City oder Dr. Sex empfehlen.

Donnerstag, 14. Mai 2009

Daniel Glattauer, Alle sieben Wellen

Der Nachfolger des Bestsellers Gut gegen Nordwind. Die (Liebes-?)Beziehung zwischen Leo und Emmi, die im ersten Roman 'nur' über E-mails erfolgte, geht weiter. Da hat es ja nicht so richtig geklappt. Also: Emmi und Leo mailen und mailen sich, bis sie sich dann treffen und endlich eine Entscheidung fällen. Unterhaltsam geschrieben, mit viel Witz wird Beziehung, Liebe dargestellt. Das Neue ist die Form des Romans: wie in Gut gegen Nordwind ein "webtauglicher" Email-Knüller - trotz des guten Einfalls, bleibt die Frage: Warum dauert es so lange, bis Mann & Frau ihre Distanz aufgeben, obwohl sie doch beide auf der "selben Welle schwimmen"...?

Dienstag, 5. Mai 2009

David Kehlmann, Die Vermessung der Welt


Hauptpersonen: das Mathematikgenie Gauß und der Gelehrte und Naturforscher Alexander Humboldt, Giganten unserer abendländischen Bildungsgeschichte des 19. Jh. Kann man mit diesen einen Roman gestalten? Ja, man kann! Gauß ist fasziniert von der Welt der Zahlen und Homboldt bereist die Welt, beide "vermessen" also ihre Welt. Für die Wissenschaftsinteressierten ein Pflichtroman; damit aber nicht genug: der Autor hat nicht einfach zwei Biographien verfasst, sondern diese beiden Genies in ihrer ganzen Verschrobenheit und Exaltiertheit, mit ihren psychischen und körperlichen "Defekten" dargestellt. Gauß quält als ungehobelter Tyrann ohne jeglichen Charme seine Mitmenschen. Der Naturforscher Alexander Humboldt erschrickt beim Anblick nackter Frauen, weil er schwul und für leibliche Genüsse generell unzugänglich ist und Erfahrung nur in Form von Erfahrung zulässt. Für mich interessant und neu: Humboldt bestieg mit seinem Gefährten 1802 (!!) den Chimborazo in Südamerika (6310 M!) - mit dem damaligen Schuhwerk und der unzulänglichen Bekleidung.

Conni Lubek, Anleitung zum Entlieben


Ein Buch, das aus einem Blog entstanden ist (s.:>> Blog!) ! Lapared (weiblich) verliebt sich unsterblich in einen Mann, den sie im Web kennengelernt hat; leider ist die Liebe keine gegenseitige, was Lapared schmerzt und sie alles versuchen lässt, sich zu entlieben. Kein leichtes Unterfangen, aber unterhaltsam geschildert. Der Blog war so erfolgreich, dass die Autorin daraus ein lebensnahes und amüsantes Buch machte. Kann man empfehlen - für alle Altersgruppen! "Und noch am selben Tag suchte ich im Internet den dazugehörigen Weblog auf. Es ist faszinierend zu erfahren, wie es nach der letzten Seite weitergeht, und das auch noch in Echtzeit. Mitreißend!" (aus amzon.de).
Ein Buch für alle, die zu lesen beginnen und nicht das große literarische Abenteuer suchen.

Sonntag, 12. April 2009

Carlos Ruiz Zafón, Das Spiel des Engels

... die Vorgeschichte zu Schatten des Windes. Ein junger erfolgloser Schriftsteller (David) geht einen Vertrag mit einem geheimnsisvollen Verleger ein, der ihm Ruhm und die ersehnte Anerkennung bringt. Doch (wie bei Faust) ist nichts "umsonst"; es beginnt eine geheimnisvolle bis mörderische Intrige, die David an seine Grenzen bringt. Der Roman ist eine Mischung aus Krimi, Philosophie, schwarzer Romantik.. ..einfach ein phantastischer Roman, ein Roman über das Schreiben und "die mörderischen Konsequenzen" daraus.

Nick McDonell, Zwölf

White Mike, Drogendealer und selbst 'clean', versorgt verwöhnte Jugendliche der New Yorker Oberschicht mit Drogen. Sehr cool schlendert er durch N.Y und kommentiert lässig das Leben - bis Entscheidendes passiert. Lese das Buch mit den Schülern - ihnen gefällt's! Mir auch. Einmal ein "Jugendbuch" ohne moralischen Zeigefinger.

Mittwoch, 11. März 2009

Thomas Glavinic, Die Arbeit der Nacht

Jonas (allein der Name) wacht auf und ist allein. Alle Menschen sind "verschwunden"; eine interessante Idee, aber nur um der Idee willen geschrieben. Jonas irrt durch Wien, durch Europa: und keiner ist da. Ich wurde beim Lesen depressiv, der Roman zieht sich dahin; Jonas wird natürlich merkwürdig (nona..), nimmt sich mit der Videokamera auf, sieht sich beim Schlafen zu... etc; er sucht seine Freundin (nix da), arbeitet seine Familiengeschichte auf; alles ganz interessant: aber nichts für mich: keine Story, keine Handlung, keine Erlösung: das nackte NICHTS wartet gegen Ende auf den Leser. Das kann nicht sein. Typisch deutsche bzw. österreichische Literatur. Sowieso: keinem Schüler zumutbar; zu intellektuell, zu konstruiert. Wenn ich Apokalypse und Endzeiterfahrung in der Literatur will, lese ich Cormac McCarthy (Die Straße): Vater und Sohn wandern durch ein apokalyptisches Amerika, dieser Roman bringt einem fast zum Weinen - aber nicht Die Arbeit der Nacht.

Sonntag, 1. März 2009

Carlos Ruiz Zafón, Der Schatten des Windes

... führt meine private Bestsellerliste unangefochten an. Ein Roman, wie ihn jeder Leser sich wünscht. Der Roman spielt in Barcelona der Franco-Ära, die Hauptperson ist Daniel, der Sohn eines Buchhändlers, der eines Tages ein geheimnisvolles Buch entdeckt und nach dem Autor sucht. Es beginnt eine spannende Handlung, in der es um geheimnisvolle Bücher, Intrigen, Liebe und die Geschichte Spaniens geht. Grandios geschrieben - alles, was ein Roman braucht: Spannung, Mystik, Lebensphilosophie...

Heinz Strunk, Fleisch ist mein Gemüse

Einige Jahre im Leben eines (begabten) Provinzmusikers in einer mittelmäßigen Tanzband in den 70igern. Witzig bis skurril; die Hauptperson[Heinz] spielt begnadet Saxophon, hat Akne, keine Freundin, isst für sein Leben gerne Fleisch und tingelt mit seiner Band durch die deutsche Provinz - eigentlich eine Leidensgeschichte, aber: aus dem Lachen kommt man nicht raus; mir hat vor allem gefallen: die Texteinschübe mit den Schlagertexten. Lesbar! Witzig! Satirisch!

Dienstag, 24. Februar 2009

Matias Faldbakken, The Cocka Hola Company

Schräg! Anarchistisch! Die Angestellten und Besitzer einer Pornofirma als Helden eines trashigen Romans; lesenswert - wenn man Angriffe auf das konventionelle Lebensmodell von Glück, Harmonie und Selbstverwirklichung "aushält".

Donnerstag, 12. Februar 2009

Esmahan Aykol, Goodbye Istanbul

Ece aus Istanbul wandert (wegen einer unglücklichen Liebe) nach London aus. Dort erfährt sie, was es heißt Immigrantin zu sein - trotzdem: es gelingt ihr in London Fuß zu fassen. Liebenswert wird ihr Leben in London geschildert; wir erfahren, was es heißt fremd zu sein - einfühlsam und humorvoll. Was mir aber vor allem gefallen hat, sind die eingeschobenen Geschichten, Märchen ihres Großvaters, eines Armeniers. Ich habe viel über Istanbul und die türkische bzw. armenische Geschichte erfahren. Ein Roman über Immigration, das Leben in der Fremde.

Donnerstag, 5. Februar 2009

Jack Ketchum, Evil




In der "braven" amerikanischen Provinz werden unbescholtene, angepasste Bürger zu mörderischen Tätern/opportunistischen Mittätern, das ganze verpackt in einen Thriller der Extraklasse. Äußerst spannend und bewegend. Fazit: In jedem Menschen steckt die asoziale Bestie. Hauptpersonen sind die Jugendlichen dieses "netten" Städtchens, die, in dem Moment, als ihnen ein Opfer "präsentiert" wird, alles Menschliche verlieren. Ein Schocker. Verfilmung.

Donnerstag, 29. Januar 2009

Zeruya Shalev, Liebesleben


Eine junge Frau, Jara, (in "glücklicher" Beziehung) verliebt sich in einen älteren Mann (Arie). Es beginnt eine Liebesgeschichte, die von Abhängigkeit und Leidenschaft geprägt ist. Ihr Leben gerät aus den Fugen, indem sie Arie liebt; ihr braver Mann hat das Nachsehen und Arie, ein echter Macho, ist nun ihr "Auserwählter". Die Autorin zeigt, dass Liebe und Leidenschaft wenig mit Harmonie und Glückseligkeit gemein haben - im Gegenteil. Die Liebe ist ein Rätsel......; sehr gut geschrieben, absolut lesenswert. P.S.: .. wie alle Romane dieser Autorin. Noch dazu spielt der Roman in Israel; die Verfilmung besticht durch die beiden Schauspieler....
>> Verfilmung